Ein Betroffener erzählt…
Mein Name ist Franz,
geb. 16. April 1943, verheiratet, 2 Söhne (einer 1977 im Alter von 4 Jahren an spinaler Muskelatrophie verstorben), Pensionist, ehem. Mathematikprofessor und LAbg. und GR in Wien, derzeit Vizepräsident des Österr. Seniorenrates, Mitglied des Bundesbehindertenbeirates, zahlreiche Funktionen in Behindertenorganisationen (Präsident des WBSV u.a.).
Seit 8 Jahren behindert durch Polyneuropathie und
Einschlusskörperchenmyositis, seit kurzem Mitglied im Vorstand der
Selbsthilfegruppe Polyneuropathie.
"Aber nein, da sterben Sie viel früher an was anderem", sagte der Arzt im Neurologischen Krankenhaus Rosenhügel auf meine Frage:" Herr Primarius, werde ich in absehbarer Zeit im Rollstuhl sitzen?"
Ich war in diesem Krankenhaus zur Abklärung der Diagnose Polyneuropathie. Man machte eine Muskel- und eine Nerven- biopsie und diese bestätigte die Meinung meines Neutrologen und ergab außerdem Einschlusskörperchen-Myositis. Ich hole nicht so weit aus, wie mein Freund Jörg. Ich bin der Franz, bin 74 Jahre alt und ich habe seit fast 10 Jahren diese Behinderungen.
Aus meiner "Jugend" will ich nur ein Ereignis anführen, weil es mein ganzes Leben bestimmt hat. Ich war 34 Jahre alt, als mein zweiter Sohn Alexander an spinaler Muskelatrophie Werdmig-Hoffmann mit 4 Jahren starb. So habe ich mein ganzes Leben mich mit Muskelkrankheiten beschäftigt, war auch 10 Jahre Präsident der Östereichischen Gesellschaft für Muskelkranke und hatte auch enge Kontakte zu verschiedenen Behindertenorganisationen. Mit Polyneuropathie hatte ich nichts zu tun, ja ich habe den Eindruck, dass es dieses Wort erst seit wenigen Jahren in der Öffentlichkeit gibt.
Hingegen hatte ich mit der Parkinson-Krankheit zu tun. Meine Mutter starb im April 1992 an Parkinson.
Bis 64 Jahre fühlte ich mich in der Pension als AHS-Professor und Wiener Landtagsabgeordneter wie 34, aber so sollte es nicht bleiben. Ich begann unsicher zu gehen und Ärzte zu besuchen, glaubte ich habe Parkinson wie meine Mutter. Das konnte aber bald ausgeschlossen werden und so blieb ich weiter auf Suche. Es dauerte nicht mehr lange und mein Neurologe kam auf Polyneuropathie und schickte mich ins Neurologische Krankenhaus Rosenhügel, um die Diagnose zu bestätigen oder zu verwerfen.
Und leider kam die oben genannte Bestätigung.
Da war es noch nicht so arg, ich konnte noch längere Strecken gehen und hatte Kribbeln in den Zehen. So fuhr ich zur Rehab nach Bad Pirawarth (zweimal), liebte dies aber nicht so sehr, es war mehr ein Spital für mich und ich habe eine ausgeprägte Spitalsphobie (war damals mein ganzes Leben nur einmal im Spital, nämlich als 14jähriger mit einer Blinddarmoperation). Aber es tat mir gut, vor allem nahm ich auch etliche Kilos ab und mein Übergewicht ist natürlich bei meiner Behinderung auch eine zusätzliche Belastung. Ich fuhr aber weiter Auto und übte meine 25 ehrenamtlichen Funktionen ordentlich aus.
Schlechter wurde es im Jahr 2014. Plötzlich im November knickte ich mit dem rechten Knie immer ein, kam zweimal zu Fall und fühlte mich noch unsicherer.
Übrigens: Einen Vorteil hatte und habe ich gegenüber meinen Krankheitskollegen. Ich hatte und habe nie Schmerzen !
Das ist bei aller Behinderung schon ein großer Vorteil !! Aber ich entschloß mich im November 2014 doch, in die neutologische Ambulanz am Rosenhügel zu gehen. Dort sagte der Arzt zu mir:" Sie müssen unbedingt ins Spital gehen!" Nach längerem Nachdenken (Spitalsphobie!) stimmte ich zu und kam somit zu meinem 2.Spitalsaufenthalt in meinem ganzen Leben.
Kaum eine Stunde im Spital, kam ich sofort in die "Röhre" (MRT) und nachher sagte der Oberarzt zu mir: "Sie heben einen Bandscheibenvorfall und werden sich operieren lassen müssen." Ich widersprach, denn den hatte ich schon 20 Jahre ohne jede Schmerzen. Und als ich nach 5 Tagen wieder entlassen wurde, meine der Oberarzt; "Sie haben doch recht, es ist wahrscheinlich eine Mischung aus Poly- neuropathie, Einschlusskörperchen-Myositis und auch von der Wirbelsäule." Bekommen hatte ich vor allem Infusionen und saß dann 4 Wochen im Rollstuhl. Meine einmalige Physiotherapeutin brachte mich aber wieder hoch und jetzt (nach langsamer Verschlechterung) nehme ich den Rollstuhl nur für längere Strecken (300 m). Eine Sache war aber schlimm für mich. Ich stellte fest, dass ich beim Autofahren nicht rasch genug mit dem Gasfuß auf die Bremse kam. Also mußte ich das Autofahren aufgeben. Ich machte aber im Nov.2015 den "Handgas"-Führerschein und wollte mir ein "Handgas"-Auto kaufen. Dann kam aber meine Frau (und auch meine Physiotherapeutin) und meinten, ich sollte mich doch von meiner Frau chauffieren lassen. Und jetzt habe ich einen "Dienstwagen mit Chauffeur" (mein Auto und meine Frau) - dies war schon immer mein Wunsch gewesen. Und sollte meine Frau einmal nicht können, dann fahre ich mit dem Taxi und das kommt billiger als ein Handgasauto.
Ja, und wie kam ich zur Polyneuropathie-Selbsthilfegruppe?
Vor einem Jahr (oder waren es zwei?) fand gegenüber der Privatklinik Döbling (in der Heiligenstädterstraße) eine Art Symposion zu dieser Frage statt. Doz. Zifko war der ärztliche Leiter und Jörg Leiter war für die Organisation verantwortlich und stellte die Selbsthilfegruppe vor. Und so gab ich ihm meine Adresse, Telefonnummer und e-Mail-Adresse und wir blieben in Verbindung. Bei der nächstem Genetralversammlung wurde ich in den Vorstand gewählt und nun setze ich mich - neben meinen 25 anderen ehrenamtlichen Beschäftigungen - für eine Gruppe ein, wo ich die Behinderung selbst habe.
Und warten Sie ab, wir werden noch vieles erreichen!